"Hey Julian lass uns doch ein wenig durch Volterra gehen", schlug Afton. "Wir müssen nachher noch zu Aro."
Sie gingen zum Brunnen was ein komisches Bild lieferte. Es die Sonne war noch nicht ganz untergegangen, weshalb sie die Kapuzen ihrer Mäntel aufgeschlagen tragen mussten. Mäntel waren im heiße Italien zwar keine Seltenheit, aber normalerweise trug man helle Farben, um die Hitze der Sonne zu reflektieren. Ihre dunklen Töne kämen höchstens für Masochisten in Frage. Doch Julian genoss die Wärme seiner Kleidung. Deswegen war Australien auch ein guter Ausflugsort für ihn gewesen. Man musste sich sowieso viel zu oft im Kalten, Dunklen verstecken, wenn Menschen dabei waren.
"Wie wurdest du eigentlich verwandelt? Und wie kam es dazu dass du so eine spezielle Gabe besitzt?" fragte Afton offen heraus.
Julian Augen verengten sich. Es war nicht üblich so offen zu fragen. Und er war auch nicht der Typ, der alles präsentierte. Auch wenn er sich liebend gern Geschichten aneignete, eine Eigenschaft, die er von Aro hatte, so wusste doch kaum jemand in der Wache etwas über ihn. Von den Meistern mal ausgenommen. Sicher. Es gab die üblichen standard- Informationen. Er war Franzose. Kopierte Gaben. Und war vor seiner Einweisung alleine als Nomade unterwegs gewesen. Sonst war allerdings nichts bekannt. Und das sollte auch so bleiben. Es war dumm sich verwundbar zu machen. Und dumm war Julian keineswegs.
"Tja." Julian setzte sich auf den Brunnenrand und hätte gern das Wasser berührt, aber dafür hätte er seine Hand dem Sonnenlicht aussetzen müssen, das zusehends schwächer wurde. Ein wenig musste er sich noch gedulden.
"Nichts aufregendes. Wie das so ist. Man wird gewandelt und geht seine eigenen Wege. Bei den Volturi bin ich eher zufällig gelandet. Aro fragte, ich sagte ja. Und hier bin ich." Julian grinste.
Von der Depression, die ihn bis zu diesem Tag verfolgt hatte, erwähnte er nichts, ebenso wenig, wie die unzähligen Selbstmordversuche. Und als er bei der Wache endlich dahinterkam, wie man Vampire tötet, ... war das Bedürfnis verschwunden. Und an seiner Stelle war etwas getreten, das nur Chelsea zuzuschreiben war. Das Verlangen alles zu tun, was die Meister verlangten. Ihnen zu gefallen. Jede Bedrohung auszuschalten, die den Volturi gefährlich werden konnte. Und zu dienen, bis in die Ewigkeit.
Eine Ruhe hatte ihn erfüllt, wie er sie seit zwei Jahrhunderten nicht gekannt hatte.
„Die Gabe...“ nachdenklich rieb er sich das Kinn, „ kommt wohl daher, dass ich eher unbewusst Leute imitiere, … nach einiger Zeit zumindest. Macht das Zusammenleben wesentlich einfacher. Wie sagt man so schön? Gleich und gleich gesellt sich gern. Dieser Quatsch von Gegensätze ziehen sich an, ist gelogen. Das funktioniert auf Dauer nicht. Hab ich zumindest letztens gelesen." Da wurde Julian bewusst, was für einen nutzlosen Blödsinn er redete.
"Oh, entschuldige. Ich labere mal wieder zu viel. Was ist mit dir? Du kommst aus London so viel ich weiß.“, erwartungsvoll sah Julian Afton an, ließ dann aber den Blick über den Platz schweifen, zu den Kindern, denen der niedrige Stand der Sonne zeigte, dass es bald Zeit zu heimgehen sei. Eine Taube flog hoch, als sie an ihr vorbeikamen, um den Platz zu verlassen. Julian hob zwei winzige Kiesel hoch und mit einer lockeren Bewegung den Handgelenks warf er einen der Steine Steine nach der Taube, die gerade über ein Dach flog.
Mit dem leisen Geräusch, den nur die beiden Vampire hören konnten, von eindringenden Stein in Fleisch fiel der Vogel tot, den halben Meter auf das Dach. Niemand hatte das Steinchen gesehen, den Julians Wurfbewegung war zu unauffällig für das menschliche Auge. Und niemand beachtete eine Taube auf einem Dach.
Abwesend zerrieb Julian langsam den zweiten Kiesel zwischen den Fingern, während er auf die Antwort seines Gesprächspartners wartete.
tbc. ~Volterra - Marktplatz~